Update Reisetagebuch Yukon – Toleranz 

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Ihr lieben,
so viel ist passiert in den letzten drei Wochen, sodass ich kaum zum Schreiben kam. Und wenn ich dann doch einmal Zeit hatte, dann war mir nicht danach. Offen gesagt, habe ich versucht, etwas abzustumpfen und das Leben, dass unermüdlich weitergeht, einfach über mich ergehen zu lassen. Dies war mir (glücklicherweise) jedoch nicht auf Dauer möglich und seit vorgestern ist alles wieder ganz anders aber ich beginne wohl besser von vorne.

Hier also eine wage Zusammenfassung der letzten Wochen. 

Aufgrund der Masse an Erfahrungen, die unfreiwilligerweise und doch recht penetrant auf mich ein niederprasselten, habe ich beschlossen ein paar Listen zu verfassen. Diese könnt ihr euch bei Interesse in den folgenden Blogeinträgen zu Gemüte führen, welche ich am Ende dieses Beitrags verlinke.

Zusammenfassend habe ich für mich festgestellt, dass Reisen bedeutet, loszulassen. Wachstum zuzulassen. Flexibel zu sein. 

Reisen kann anstrengend sein. Reisen kann auch mal unschön sein. Und vor allem findet Reisen in uns statt, wenn wir es zulassen. 

Bisher war ich fast ausschließlich an Orten und habe Dinge erlebt, die ich so nicht geplant hatte und eigentlich ganz anders wollte. Nun, gerade diese Dinge sind wohl derzeit an der Reihe für mich…Ich akzeptiere das nun. Meine Reise zu mir selbst in der Wildnis des Yukon hat sich zu einer bisher zweimonatigen Periode ständigen unter-Menschen-Seins entwickelt, die letzten fünf Wochen teilte ich mir sogar nachts einen Raum ohne Sichtschutz, Respektive Privatsphäre mit anderen Menschen, von denen ich nicht jeden wirklich mochte und doch lernte ich gerade dadurch am meisten über mich. Durch den Kontakt mit anderen, auch unangenehmen, durch das Wahrnehmen eigener Grenzen. 

Und mal ehrlich, was für einen Luxus leben wir, indem jeder seine Rückzugsorte hat und sein Leben so gestalten kann, wie er möchte? 

„Ich brauche Freiraum!“, „Ich brauche Zeit für mich!“ etc.. 

Alles Glaubenssätze einer Gesellschaft, für die Individualität und Selbstverwirklichung an erster Stelle steht. Gibt es diese Individualität überhaupt, wenn wir doch alle Teil einer Gesellschaft und eines großen Ganzen sind sowie das Produkt unserer Erlebnisse und Erfahrungen? 

Und entsteht Freiraum nicht in uns, denn außerhalb? 

Wie sonst hat z.b. Anne Frank ihr mit anderen zusammen abgeschottetes Leben während der Judenverfolgung im Hinterhaus führen können, ohne ihre Innere Freiheit, ihre Neugier und ihren Lebenswillen zu verlieren? 

Oder all die Verfolgten und Flüchtigen dieser Welt, die zusammengepfercht in Lagern und auf Booten wochenlang mit anderen auf engstem Raum nicht nur überleben sondern voller Hoffnung weiterleben?

Ich habe es viel zu gut. Immer noch. 

Und somit sind wir schon bei Liste Nummer eins:

10 geistige Dinge, die ich beim Reisen gelernt habe
Nummer zwei:

10 praktische Dinge, die ich auf Reisen gelernt habe
Und zuletzt:

10 wilde Tiere, die ich auf Reisen gesehen habe
In dem Sinne, ich wünsche Euch allen eine gute Reise!:)

10 wilde Tiere, die ich auf Reisen gesehen habe

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1. one Porcupine (Stachelschwein)
2. A few Moose (Elch)

3. Three Grizzly Bears (Grizzlybären)


4. One coyote (Koyote)

5. Four bald eagles (Weißkopfseeadler)

6. A few mountain goats (Bergziegen)

7. Many Raven (Raben, richtige, keine Krähen und “George”, der sich aus der Hand füttern lies..)


8. Many squirrels (Eichhörnchen und auch ein paar andere Hörnchen)

9. Many Bisons


10. My Favorite: one impressive Wolf!


And many more…

10 “praktische” Dinge, die ich auf Reisen gelernt habe

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1. Auto fahren (auch in der Stadt und allein aber psst!;))2. Reifen wechseln

3. Autobatterie laden

4. Auto abschleppen

5. Kettensäge bedienen

6. Holz mit Axt spalten

7. Englischkenntnisse ausbauen

8. Französisch verstehen (fragt nicht…)

9. Feuer löschen…(….)

10. Qi Gong

10 “geistige” Dinge, die ich beim Reisen gelernt habe

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1. Dankbarkeit (für? Einfach alles!)2. Toleranz (Ich (vegan) habe Fleisch für unseren Host zubereitet. Das ist kein gutes Beispiel, denn es geschah aus Abstumpfung. Ich würde es nicht wieder tun. Aber ich möchte nicht mehr versuchen, jemanden zu ändern. Jeder lebe, wie er es für richtig halte.

3. Selbstreflexion

4. Geduld (nach sechs Platten, drei mal komplett totem Auto (davon einmal mitten im Nirgendwo), einem brennenden Ofen etc… kann mich glaube ich nichts mehr so leicht aus der Fassung bringen..

5. Annahme 

6. Loslassen

7. Flexibilität (unverzichtbar!)

8. Humor oder eher heitere Gelassenheit (wenns nur noch zum Heulen ist, dann lieber lachen:))

9. Kommunikation (ich habe noch nie in solch kurzem Zeitraum so viele Menschen kennen gelernt) 

10. Noch wichtiger: Zuhören (und ich lerne dabei nicht aus…)
Alle Punkte dieser Liste sind in ständiger Arbeit und sicher nie ganz erreicht. Und so füge ich noch einen 11. als Schmankerl hinzu, was ich wirklich lernen möchte:

11. im Hier und Jetzt sein. Leben. Denn, ich lebe, also bin ich.

Memories

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Und so wärme ich mich an den Gedanken des Vergangenen, hülle mich ein mit unzähligen Erinnerungen, während um mich herum alles gefriert. 

Stumpf wie ein Eiszapfen mag ich wirken und tatsächlich, ich fühle kaum noch. 

Du hast es passend in Worte verpackt, die Toleranz hat sich zu einem „alles egal“ entwickelt. 

Doch mein schneebedeckter Schutzpanzer birgt bei genauerer Betrachtung Risse. Eine unerschöpfliche Sammlung schöner, einzigartiger Momente und Begegnungen voller (Be)rührung, bringt auch das Kälteste zum schmelzen.

…und wehrlos gebe ich mich hin, ihm, dem bittersüßen Schmerz, der Hand in Hand mit der Erinnerung durch die schneebedeckten Berge in schweren Stiefeln daher kommt..

Patience

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9.10.1722:45 Uhr
Ich möchte geduldiger werden. Oder vielleicht ist Gelassenheit das richtige Wort. Dinge auch einmal ruhen lassen, wenn der Aufwand, etwas immer wieder anzusprechen größer ist, als der Lohn. Oder wie Astrid mir sagte: „Du musst Dich nicht um alle(s) kümmern. Kümmere Dich um Dich selbst.“ Sie meinte auch, ich sei, wie ihr Mann, hochsensibel. Wer weiß, ich halte ja nicht so viel von diesen Bezeichnungen. So oder so; Ich übe mich in Gelassenheit. 
Heute, ohne Astrid, war es zuerst schwierig für mich. Es ist Thanksgiving, ich mache Hash Browns für Stephen, die anderen essen bereits vor uns. Wie immer. Egal. 

Später fahren wir mit dem Truck in dem Wald um Feuerholz zu holen. Genau genommen fahre ich, ja, ich, die weder Führerschein noch Fahrpraxis bis auf ein paar Runden auf dem Rebberg vor mindestens zehn Jahren und einer sehr kurzen, im Graben endenden Tour in Frankreich (Leo wird sich erinnern ;)) hat. Ich darf fahren. Und tatsächlich klappt es mit dem alten Automatiktruck so gut, dass ich auf dem Highway bis zu 90kmh fahre. Zum Glück begegnen uns nur wenige andere Autos, Kanada ist ja bekanntlich groß. Im Wald freue ich mich, endlich mal etwas Bewegung zu bekommen. Das Holz zu schleppen tut mir richtig gut und im Gegensatz zu den Mädels möchte ich gar nicht, dass es endet. Später darf ich sogar selbst einen toten Baum fällen und schneiden. Mir ist schon ein wenig mulmig, so ganz ohne Schutzkleidung, aber es funktioniert erstaunlich gut und macht Spaß.

Bevor ich abends das Thanksgivingdinner zubereite, darf ich sogar noch einmal zur Wasserstation fahren, um unsere Kanister aufzufüllen. Nach dem Essen schauen wir den Animationsfilm „Rio“ an und lassen den Abend ausklingen. Eigentlich ein sehr guter Tag, finde ich.

Morgen habe ich viel Zeit für mich, denn ich werde nicht mit in die Stadt fahren. Ich kann mich genauso gut im See waschen und es gibt kaum Einkäufe, das kriegen die zwei Mädels schon hin. Vielleicht schaffe ich es ja endlich mal, die Gegend etwas mit dem Rad zu erkunden…

Atlin, Skagway, Tierbegegnungen und der Alltag im Yukon 

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7.10.17 19:17 Uhr
Astrid ist morgen das letzte Mal da. Dann bin ich allein mit den zwei französischen Mädels. Das wird eine Herausforderung. Alles hier ist eine Herausforderung. Anders als geplant aber nun gut. Ich lebe in einem riesigen chaotischen Haus, dessen einziger Bezug zur Wildnis ist, dass wir chloriertes Wasser von einer Abholstation holen und unsere Elektrizität von einem Generator und Batterien beziehen, welche regelmäßig nachts entleert sind und mich piepend aus dem Schlaf reißen. Alle Nachbarn hingegen sind ans öffentliche Stromnetz angeschlossen und beziehen ihr Wasser frisch gefiltert aus dem See. Unsere Toilette befindet sich zwar draußen aber es wird weder kompostiert, noch trennt man das Papier, alles landet einfach in einem stinkenden Loch. Und obwohl Kanada großen Wert auf Recycling legt, verschwinden hier täglich Unmengen an unsortiertem Müll zusammen in einem schwarzen Sack, inklusive Kompost, ungespülten Dosen etc..

Das Haus ist riesig sowie unfertig, alles vollgestopft mit Büchern, DVDs, Fernseher etc. Im Garten stehen vier Autos, davon dienen zwei als Ersatzteillager. Und gearbeitet wird hier nicht wirklich. Wir bekommen Geld um die Einkäufe zu erledigen und einem einsamen Menschen Gesellschaft zu leisten. Und um das Kochen und den Abwasch werde ich mich wohl nach Astrids Abgang alleine kümmern müssen, denn die beiden anderen Mädels bevorzugen es, Pause zu machen, so wie sie es nennen. Wenn ich nachfrage, bekomme ich auch Aufgaben, diese sind jedoch unklar und meist schnell erledigt. Im Gegenzug werden wir regelmäßig mit dem Auto durch die Gegend gekarrt, bekommen einen unglaublich detaillierten Einblick in die Geschichte der Goldgräber und begegnen allerlei Tieren während unserer Ausflüge.


Die Mädels bleiben bis Donnerstagabend, dann kommt Alin äe aus der Schweiz und wir sind erst mal zu dritt. Ich hoffe, sie nimmt das hier ernster, denn unser Host kriegt den Mund leider meist nur im Einzelgespräch auf. Er ist ein wirklich lieber Kerl und ich fürchte, dass das von vielen nur allzu gerne ausgenutzt wird.
Nun aber zu den schönen Erlebnissen. Wie schon erwähnt sind wir sehr weite Strecken mit dem Auto unterwegs. Wir fahren durch Orte, wie Atlin, ein wundervoll verschlafen wirkendes Dörflein an einem großen See, umgeben von, wie sollte es anders sein, Bergen und mittlerweile schneebedeckten Gipfeln. Es gibt dort die Atlin Warm Springs, kleine warme Quellen, die sich jedoch als wir dort waren nicht annähernd wie die gemessenen 27 Grad anfühlten. Das Lagerfeuer, welches ich dieses Mal auf natürliche Weise (ohne Öl!) mit Melanie (einer ehemaligen Helferin die uns begleitete) machte, kam uns da sehr gelegen. Wir hatten uns für den Abend extra Masken angefertigt und Badekappen aufgezogen, damit wir nicht Stephens komische Hulagirlsverkleidungen (Kokosnussbhs..) anziehen mussten und er sich trotzdem über „Crazy guests“ freut und es funktionierte. Der Abend war eigentlich ganz angenehm, denn vorm Baden saßen Astrid, Melanie und ich ums Feuer und sangen und einmal machte Stephen sogar mit. Die Französinnen waren jedoch zu gehemmt und hatten auch keine Lust zu baden. Schade.


Die Tage besuchten wir Skagway in Alaska, wo ich ja bereits war jedoch nun, drei Wochen später und außerhalb er Saison wirkt das Städtchen viel einladender. Keine Fähren, keine Touristenströme. Wir gehen in ein Café, das auf mich typisch amerikanisch wirkt, Kaffee  wird jederzeit kostenfrei nachgeschenkt, wie man es aus den US-Serien kennt und auch das Inventar ist sehr authentisch. Wir erfahren viel über den Gold Rush im örtlichen Museum und während Stephen uns durch die Straßen führt auch über die Geschichte der Stadt, so zum Beispiel, dass es damals hier an die 80 Bordelle gab aber nur eine Kirche und dass das Red Onion, ebenfalls ein ehemaliges Bordell, seinen Platz nicht nur gewechselt hat (Männer zogen es samt Fundament näher auf die Hauptstraße), sondern auch, dass es verkehrt herum aufgestellt wurde und man es dann kurzerhand ein Stückchen kürzte und dieses Stück auf der anderen Seite wieder anbrachte, um Arbeit zu sparen.


Auf dem Rückweg fahren wir nach Dyea, dort entdecken wir am Fluss eine Grizzlybärin mit zwei Jungen. Was für ein Glück, um diese Jahreszeit und kurz vor Sonnenuntergang. Bereits am Tag zuvor sichteten wir einen Elch, ein Reh, eine Bisamratte und, was mich immer noch schwer beeindruckt, einen Wolf. Als wir umkehrten um den Wolf näher zu betrachten wich dieser nicht weit zurück, bestimmt zehn Minuten lief er immer wieder im Umkreis von zehn Metern um das Auto herum und selbst als ich ausstieg, war er zwar vorsichtig aber rannte nicht weg. Dieses Erlebnis war für mich bisher das schönste Tiererlebnis. Zudem es noch Vollmond war.

9.10.17

18 Uhr
Heute, auf dem Weg nach Whitehorse, kreuzte ein Koyote die Straße.

Nach ein paar unangenehmen, stressigen Diskussionen zwecks Wäsche und Einkauf trennten sich die Wege der französischen Mädels von Astrid und mir. Wir besuchten die evangelische Kirche. Am Gottesdienst, der von den Gemeindemitgliedern selbst gestaltet wird, nehmen mit uns gerade einmal 18 Menschen teil, trotzdem, die Stimmung ist angenehm und wir bleiben danach noch zum Thanksgiving Potluck. Dabei erfahren wir, dass die meisten Einwanderer sind, auch deutsche sind unter ihnen, die bereits vor dem Bau der Mauer bei uns hier kamen. Es sind nette Gespräche und ich werde denke ich wiederkommen, auch wenn der Altersdurchschnitt hier mein Alter um einiges übertrifft.

Später kann ich in Astrids Hotel duschen. Yey! Die letzte Nacht wird sie hier bleiben und wir fahren ohne sie zurück. Mir graut ehrlich gesagt davor mit den Mädels allein auskommen zu müssen und natürlich werde ich sie vermissen aber ich sammle hier ja Erfahrungen…

Die „Public Library” und andere zivilisatorische Annehmlichkeiten 

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3.10.2017
18:00 Uhr
Ich sitze in der Public Library in Whitehorse. An drei Tagen der Woche (So, Di, Do) fahren wir morgens um 7 mit Stephen nach Whitehorse, dort wechselt er in seinen Dienstwagen (er liefert Post und Pakete aus) und dann nehmen wir das Auto, erledigen Einkaeufe und was noch so ansteht und bleiben dann bis er fertig ist in der Stadt (Meist so bis 21 oder 22 Uhr). Ausserdem gibt es die Option, ihn bei seiner Fahrt die taeglich bis zu 1000 km betraegt, zu begleiten.Landschaftlich  bekommt man da wohl einiges zu sehen und ich werde dieses Angebot sicher noch in Anspruch nehmen. Die dritte Option (welche ich ja am Sonntag gewaehlt habe), ist den ganzen Tag im Haus bzw der Umgebung zu bleiben, dort aufzuraeumen, den Hund auszufuehren, fuer alle zu kochen und eigene Projekte anzugehen.

Heute war ich also in Whitehorse. Nachdem ich noch einmal mit Icelandair Kontakt aufgenommen hatte und tatsaechlich nun meinen Flug fuer Dezember kostenfrei zurueck bekommen habe (ein herzliches Danke nochmals an dieser Stelle, an die lieben Mitarbeiter der Fluggesellschaft) und mit Astrid die Einkaeufe groestenteils erledigt hatte, begab ich mich mit dem Rad, welches ich mitnehmen durfte, noch einmal zur Wohnung von Sofía, um meine restlichen Sachen abzuholen. Da sie arbeiten war, hinterlegte sie mir den Schluessel unter der Fussmatte. Danach fuhr ich mit dem Rad noch zur Riverside Grocery, einem unglaublich ueberteuerten Bioladen, indem ich mir ein glutenfreies Brot besorgte und versuchte, bei einem Kaffee mit der jungen Verkaeuferin ins Gespraech zu kommen, was sich als schwierig herausstellte, da sie anscheinend lieber auf ihren Laptop starrte. Nun gut, die Jugend, dachte ich mir mit meinen fortgeschrittenen neunundzwanzig Jahren (…) und fuhr weiter zum Visitor Center, indem ich mich ein wenig ueber Whitehorsse kundig machte und derweil meinen mitgebrachten Salat verspeiste. Es ist nicht zu verachten, was solch oeffentliche Plaetze fuer Vorteile bieten und außer mir, kamen in der Stunde, die ich dort verbrachte, gerade mal ein paar Japaner vorbei. Später begab ich mir zur Public Library, um Astrid auf einen Kaffee abzuholen. Die Bibliothek ist wunderbar! Es herrscht eine angenehme Atmosphaere, man muss nicht muksmaeuschenstill sein und trotzdem ist es nicht laut, es gibt eine riesige Auswahl an Literatur, eine liebevoll eingerichtete Kinderecke, man kann taeglich die Computer eine Stunde kostenfrei und unbegrenzt freies WLAN nutzen, es gibt kostenloses Trinkwasser, saubere Toiletten und sogar Liegeplaetze. Demenstprechend gemischt ist auch das Klientel, von ein paar Leseratten, ueber Smartphonezombies, vor sich hindoesende Maenner in zerlumpter Kleidung, einer Kindergartengruppe, bis hin zu ueber Zeichnungen bruetenden alten Maennern und bloggenden deutschen Frauen ist alles vorhanden. Ein Zufluchtsort der Extraklasse 🙂.

Mir gegenueber sitzt Astrid. Nach dem Kaffeetrinken im Baked, wo es Kaffee mit Milchalternativen, Kunst regionaler Kuenstler und allerlei schoene Laeden mit individuellen Geschenken und Koestlichkeiten gibt. Darauffolgend waren wir im Dollarstore, um ein paar Kuechenutensilien zu besorgen und ein Verkleidungen. Es war lustig, denn wir beide hatten nicht so viel Lust darauf aber Stephen wuenscht sich, dass wir „etwas enthusiastic and cray“ sind und nun ja, why not? Wenn es ihm Freude bereitet. Gestern Abend waren wir am Hidden Beach, einer versteckten Bucht mit Sandstrand am Tagish Lake, die im Sommer maerchenhaft sein muss, haben ein Feuer gemacht (auf Stephens Art mitten auf dem Boden, ohne Steinkreis, mit Oel, was ich unbedingt aendern muss und werde…) und dann bin ich mit ihm im kalten Wind nackig in den kalten See gesprungen. Das mag fuer Aussenstehende komisch klingen aber es war rein gar nichts schlimmes dabei. Stephen ist anders. Er hat ein seltsames Verhaltnis zu Maennern und meidet sie, mit Frauen kommt er aus, was jedoch rein gar nichts sexuelles hat. All seine Volunteers berichten von tollen Erfahrungen auf Touren und seiner herzlichen Art. Er ist nicht gern allein, ja. Und er hat ein paar ungewoehnliche Verhaltensweisen, aber was solls. Wer ist schon normal? Ich habe beschlossen, diese Reise als Erfahrung mit Menschen zu sehen. Ich weiss, dass ich den Sueden liebe und hier kein dauerhafter Platz fuer mich ist. Ich weiss ebenso, dass ich die Menschen in und um Freiburg von ihrer Mentalitaet her liebe und auch die der weiter suedlich liegenden Nachbar- und Nachbarnachbarslaender. Und trotzdem. Es ist spannend, auf diese Reise zu den Menschen zu gehen. Bei jemandem zu leben, der einen komplett anderen Lebensstil pflegt. Andere Reisende zu treffen. Eventuell zehn Kilo aufgrund des ungesunden Essens hier zuzunehmen ist ein Uebel, was ich wohl in Kauf nehmen muss. Sich nur waehrend des Besuchs der Stadt im Schwimmbad duschen zu koennen (oder eben (noch) im eiskalten See). Mehrere Wochen lang mit anderen, wechselnden Menschen einen Raum zu Teilen. Es ist ok. All das sind Erfahrungen, welche mich lernen lassen. Ueber andere und ueber mich selbst.
Astrid und ich warten derweil auf die Franzoesinnen Priscilla und Lucie, die den Wagen haben, um Freunde zu besuchen. Astrid ist eine Berlinerin um die vierzig (schaetzungsweise, sie verraet es naemlich nicht) und ist nun seit drei Wochen bei Stephen. Sie ist verheiratet und hat einen Sohn im Erwachsenenalter. Sie verreist regelmaessig allein, was ihrer Beziehung jedoch nicht schadet, im Gegenteil. 2012 ist sie den Jakobsweg gelaufen, die letzte Woche begleite sie ihr Mann. Die grosse, schlanke Frau mit den langen, dunkelblonden Haaren wird am Montag zurueck nach Deutschland fliegen. Die beiden Maedels bleiben bis zum 12.10., danach kommt Aline, Anfang zwanzig, aus der Schweiz glaube ich. Ich bin gespannt wer noch kommt. Und welche Dynamik entseht. Jetzt laeuft jedoch meine Pc Zeit ab. Ich wuensche Euch allen, wo auch immer ihr seid, gute Erfahrungen, so viel Gluck im Unglueck, wie ich es immer wieder habe und Vertrauen in die Welt und vor allem in Euch selbst. Bis bald.

Yukon Reisetagebuch Update

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1.1000:17
Ich liege in einem der 5 Betten des Raumes eines rustikal chaotischen Hauses in Tagish. Unter meinem Bett schnarcht Tyson, ein 11 Jahre alter Colliemix, vor sich, gegenüber meines Bettes steht ein Doppelbett, in dem zwei Französinnen schlafen. Hinter mir ist das Bett von Stephen, unserem Gastgeber und um die Ecke neben der Küche schläft Astrid aus Berlin. Ich bin hier gestrandet und es ist ein guter, wenn auch sehr spezieller Ort, das fühle ich. Alles ist sehr voll und durcheinander und doch seltsam geordnet, gemütlich, belebt. Der geschätzte Endfünfziger Stephen hat ein warmes Herz, das merkt man sofort, wenn man in seine traurigen, jedoch von Lachfalten umrandeten Augen blickt, die schon vieles gesehen haben und seinen Worten lauscht, die er mit Bedacht wählt. Vermutlich könnte ich hier gut überwintern. Dumm bloß, dass ich vor knapp 5 Stunden meinen Rückflug für Montag in einer Woche gebucht habe…
18:16
Der Tag begann gut. Stephen und die anderen verließen das Haus um 7 Uhr früh. Ich blieb mit Tyson zurück und rief gleich die Condor an. Ich könnte meinen Flug noch stornieren. Juhuu. 40€ Gebühr, was soll’s. Dann machte ich Yoga, frühstückte, kochte Mittagessen vor, auch für die anderen, machte mich mit dem Generator vertraut und wusch ab, staubsaugte etwas, laß und erkundete dann mit dem Hund die nähere Umgebung um den See, Tagish Lake. Wunderschöne Gegend. Nachdem wir zurück waren machte ich mich wieder and Lesen, Tyson zu meinen Füßen. Dann war plötzlich eine Gruppe Mädels, auch mit einem Hund, vor dem Haus. Sie sahen aus, als ob sie Stephen kennen und suchen würden uns Tyson war ganz nervös also zog ich mir etwas über, ging ich runter und ließ den Hund raus, die Mädels waren schon wieder im Wald verschwunden ich hörte nur noch ihre Stimmen so etwas wie „Hey, Tyson“ rufen und ihr Hund schaute mich argwöhnisch an und machte dann kehrt. Ich warte kurz ob sie noch einmal kämen doch schon waren sie weg und ich rief Tyson, der kurz zurück kam sich aber dann vor dem Haus umdrehte und wieder im Wald verschwand. Ich rief und suchte mehrmals die Gegend ab aber alle waren verschwunden. Seit dem sitze ich hier, warte, lese.. der Generator geht auch nicht mehr an…

Die anderen kommen erst in 3,5 Stunden. Ich mache mir ernsthaft Sorgen…
2.10.17

00:30

Ich liege in meinem Bett unter dem Schlafsack und lasse den Tag Revue passieren. Eines der französischen Mädchen fragte mich bei deren Heimkehr gegen halb 10, ob ich mich nicht gelangweilt habe, den ganzen Tag hier so alleine. Ha ha… schön, wenn es so gewesen wäre.

Gegen 18 Uhr wurde meine Sorge um Tyson dermaßen groß, dass ich eine dritte Suchrunde startete und nun auch die Nachbaranwesen abklapperte. Seltsamerweise schienen viele von Ihnen nicht zu Hause zu sein, zumindest reagierte zuerst niemand auf meine Klopfversuche an diversen Türen und auch nicht auf meine lauten „Hello“-Rufe auf den Grundstücken. Ein Nachbar ging sogar während ich unter seinem Balkon stand und ihm zurief einfach laut hustend ins Haus und ignorierte mich. Schon seltsam, dachte ich mir und mich beschlich ein ungutes Gefühl also beschloss ich, jetzt besser auszuwählen, welche Nachbarn ich fragen wollte, ob sie Tyson gesehen hätten. Die Grundstücke sind alle sehr groß, meist stehen mindestens drei Autos darauf von denen immer einer ein großer Pickup ist und die anderen meist eher so aussehen, als ob sie ein Ersatzteillager für diesen darstellen. Eigentlich könnte jeder zweite hier auch Schrotthändler oder Automechaniker sein. Dann steht ein großes Haus auf dem Gelände, oft noch ein paar kleinere Cabins drum herum, viel Werkzeug, Geräte etc., manchmal ein Kanu oder ein Motorboot. Ich wählte ein Anwesen aus, dass ziemlich gepflegt aussah und mich zur Abwechslung nicht an „Texas Chainsaw Massacre“ (meinen ersten Horrorfilm mit 11) erinnerte und klopfte an. Ein schätzungsweise Ende dreißig jähriger, humpelnder Mann bat mich sofort nachdem ich ihm meinen Namen und den Grund meines Besuchs nannten ihn hinein und stellte sich mir als Luc* aus Frankreich vor. Er erzählte mir dann allerlei Dinge über den Hund, der ihn wohl regelmäßig besuche, dass ich mir keine Sorgen machen müsse und was ich denn bei Stephen wolle, der sei doch nicht ganz normal, immer nur junge Frauen bei sich, rede nie mit den Nachbarn usw.. Ich sagte ihm, dass er sicher seine Gründe habe und ja, dass es bestimmt etwas komisch sei aber dass er sehr nett ist und jeder Mensch seine Geschichte hat und das auch spannend ist und ich mich auf jeden Fall sicher und gut dabei fühle, hier zu bleiben. Wir verabschiedeten uns und ich ging zurück zum Haus, nicht ohne die Stör für Tyson aufzulassen. Es stank fürchterlich nach Gas aber ich konnte am Herd nichts feststellen, was an war. Später sollte sich herausstellen, dass die Ganze Zeit Gas entwich und ich eigentlich ein Riesen Glück hatt, da ich auch Kerzen anzündete etc.

Als Stephen und die anderen gegen halb 10 ankommen, geht gerade der Alarm der Bqtterie an. Super! Also alle Lichter aus und dann Stephen erklären, dass der Hund weg ist, der Generator nicht läuft, alles nach Gas stinkt.. und „ach ja übrigens, ich bleibe doch 6 Wochen“…

Astrid hilft mir dann den Hund suchen, den wir letztendlich bei Nachbarn, die Barbecue machen und in paar Straßen weiter doch noch finden. Melanie, eine ehemalige Helferin von Stephen ist wohl zu Besuch, hat den Hund gesehen und mitgenommen, Sonntags ist ja meist keiner zu Hause. Der Generator, stet sich später heraus, ist innen drin mit Benzin voll, weil ich den Choker nicht sofort wieder aus gemacht habe (bei dem letzten Hof war es so, dass der abblieb) und das Gas kam heraus, da der Backofen Gas freigibt, wenn man ihn auf off stellt statt den Knopf ein Stück weiter rechts zu positionieren. Ich koche also das Abendessen für die anderen auf den Campingkocher ( das andere Gas ist ja jetzt leer…) Würze etwas zu scharf für die anderen und Berichte von meinem „ langweiligen“ Tag.

Gut ist, ist alles nicht schlimm, ich bin ja nicht in die Luft geflogen, der Hund ist da, Generator repariert. Schlecht ist, dass mein Rückflug über Island im Dezember bereits gecancelt ist und ich nicht weiß, wie ich dann heimkomme ohne Geld und bereits heute durch ein Telefonat mit Icelandair 30€ für die Warteschleife zahlen darf. Egal. Jetzt bin ich müde. Ich habe mir Astrid noch lange geredet über alles Mögliche. Sie ist eine sehr interessante Frau, dazu aber morgen mehr.