1.1000:17
Ich liege in einem der 5 Betten des Raumes eines rustikal chaotischen Hauses in Tagish. Unter meinem Bett schnarcht Tyson, ein 11 Jahre alter Colliemix, vor sich, gegenüber meines Bettes steht ein Doppelbett, in dem zwei Französinnen schlafen. Hinter mir ist das Bett von Stephen, unserem Gastgeber und um die Ecke neben der Küche schläft Astrid aus Berlin. Ich bin hier gestrandet und es ist ein guter, wenn auch sehr spezieller Ort, das fühle ich. Alles ist sehr voll und durcheinander und doch seltsam geordnet, gemütlich, belebt. Der geschätzte Endfünfziger Stephen hat ein warmes Herz, das merkt man sofort, wenn man in seine traurigen, jedoch von Lachfalten umrandeten Augen blickt, die schon vieles gesehen haben und seinen Worten lauscht, die er mit Bedacht wählt. Vermutlich könnte ich hier gut überwintern. Dumm bloß, dass ich vor knapp 5 Stunden meinen Rückflug für Montag in einer Woche gebucht habe…
18:16
Der Tag begann gut. Stephen und die anderen verließen das Haus um 7 Uhr früh. Ich blieb mit Tyson zurück und rief gleich die Condor an. Ich könnte meinen Flug noch stornieren. Juhuu. 40€ Gebühr, was soll’s. Dann machte ich Yoga, frühstückte, kochte Mittagessen vor, auch für die anderen, machte mich mit dem Generator vertraut und wusch ab, staubsaugte etwas, laß und erkundete dann mit dem Hund die nähere Umgebung um den See, Tagish Lake. Wunderschöne Gegend. Nachdem wir zurück waren machte ich mich wieder and Lesen, Tyson zu meinen Füßen. Dann war plötzlich eine Gruppe Mädels, auch mit einem Hund, vor dem Haus. Sie sahen aus, als ob sie Stephen kennen und suchen würden uns Tyson war ganz nervös also zog ich mir etwas über, ging ich runter und ließ den Hund raus, die Mädels waren schon wieder im Wald verschwunden ich hörte nur noch ihre Stimmen so etwas wie „Hey, Tyson“ rufen und ihr Hund schaute mich argwöhnisch an und machte dann kehrt. Ich warte kurz ob sie noch einmal kämen doch schon waren sie weg und ich rief Tyson, der kurz zurück kam sich aber dann vor dem Haus umdrehte und wieder im Wald verschwand. Ich rief und suchte mehrmals die Gegend ab aber alle waren verschwunden. Seit dem sitze ich hier, warte, lese.. der Generator geht auch nicht mehr an…
Die anderen kommen erst in 3,5 Stunden. Ich mache mir ernsthaft Sorgen…
2.10.17
00:30
Ich liege in meinem Bett unter dem Schlafsack und lasse den Tag Revue passieren. Eines der französischen Mädchen fragte mich bei deren Heimkehr gegen halb 10, ob ich mich nicht gelangweilt habe, den ganzen Tag hier so alleine. Ha ha… schön, wenn es so gewesen wäre.
Gegen 18 Uhr wurde meine Sorge um Tyson dermaßen groß, dass ich eine dritte Suchrunde startete und nun auch die Nachbaranwesen abklapperte. Seltsamerweise schienen viele von Ihnen nicht zu Hause zu sein, zumindest reagierte zuerst niemand auf meine Klopfversuche an diversen Türen und auch nicht auf meine lauten „Hello“-Rufe auf den Grundstücken. Ein Nachbar ging sogar während ich unter seinem Balkon stand und ihm zurief einfach laut hustend ins Haus und ignorierte mich. Schon seltsam, dachte ich mir und mich beschlich ein ungutes Gefühl also beschloss ich, jetzt besser auszuwählen, welche Nachbarn ich fragen wollte, ob sie Tyson gesehen hätten. Die Grundstücke sind alle sehr groß, meist stehen mindestens drei Autos darauf von denen immer einer ein großer Pickup ist und die anderen meist eher so aussehen, als ob sie ein Ersatzteillager für diesen darstellen. Eigentlich könnte jeder zweite hier auch Schrotthändler oder Automechaniker sein. Dann steht ein großes Haus auf dem Gelände, oft noch ein paar kleinere Cabins drum herum, viel Werkzeug, Geräte etc., manchmal ein Kanu oder ein Motorboot. Ich wählte ein Anwesen aus, dass ziemlich gepflegt aussah und mich zur Abwechslung nicht an „Texas Chainsaw Massacre“ (meinen ersten Horrorfilm mit 11) erinnerte und klopfte an. Ein schätzungsweise Ende dreißig jähriger, humpelnder Mann bat mich sofort nachdem ich ihm meinen Namen und den Grund meines Besuchs nannten ihn hinein und stellte sich mir als Luc* aus Frankreich vor. Er erzählte mir dann allerlei Dinge über den Hund, der ihn wohl regelmäßig besuche, dass ich mir keine Sorgen machen müsse und was ich denn bei Stephen wolle, der sei doch nicht ganz normal, immer nur junge Frauen bei sich, rede nie mit den Nachbarn usw.. Ich sagte ihm, dass er sicher seine Gründe habe und ja, dass es bestimmt etwas komisch sei aber dass er sehr nett ist und jeder Mensch seine Geschichte hat und das auch spannend ist und ich mich auf jeden Fall sicher und gut dabei fühle, hier zu bleiben. Wir verabschiedeten uns und ich ging zurück zum Haus, nicht ohne die Stör für Tyson aufzulassen. Es stank fürchterlich nach Gas aber ich konnte am Herd nichts feststellen, was an war. Später sollte sich herausstellen, dass die Ganze Zeit Gas entwich und ich eigentlich ein Riesen Glück hatt, da ich auch Kerzen anzündete etc.
Als Stephen und die anderen gegen halb 10 ankommen, geht gerade der Alarm der Bqtterie an. Super! Also alle Lichter aus und dann Stephen erklären, dass der Hund weg ist, der Generator nicht läuft, alles nach Gas stinkt.. und „ach ja übrigens, ich bleibe doch 6 Wochen“…
Astrid hilft mir dann den Hund suchen, den wir letztendlich bei Nachbarn, die Barbecue machen und in paar Straßen weiter doch noch finden. Melanie, eine ehemalige Helferin von Stephen ist wohl zu Besuch, hat den Hund gesehen und mitgenommen, Sonntags ist ja meist keiner zu Hause. Der Generator, stet sich später heraus, ist innen drin mit Benzin voll, weil ich den Choker nicht sofort wieder aus gemacht habe (bei dem letzten Hof war es so, dass der abblieb) und das Gas kam heraus, da der Backofen Gas freigibt, wenn man ihn auf off stellt statt den Knopf ein Stück weiter rechts zu positionieren. Ich koche also das Abendessen für die anderen auf den Campingkocher ( das andere Gas ist ja jetzt leer…) Würze etwas zu scharf für die anderen und Berichte von meinem „ langweiligen“ Tag.
Gut ist, ist alles nicht schlimm, ich bin ja nicht in die Luft geflogen, der Hund ist da, Generator repariert. Schlecht ist, dass mein Rückflug über Island im Dezember bereits gecancelt ist und ich nicht weiß, wie ich dann heimkomme ohne Geld und bereits heute durch ein Telefonat mit Icelandair 30€ für die Warteschleife zahlen darf. Egal. Jetzt bin ich müde. Ich habe mir Astrid noch lange geredet über alles Mögliche. Sie ist eine sehr interessante Frau, dazu aber morgen mehr.
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